Lebensart

Überall warten

Kennen Sie das auch? Sie stehen an der Halte­stelle, im Moment hoffentlich gut einge­mummelt, was sich von innen anfühlt wie Press­wurst. Arme und Beine stehen etwas vom Körper ab. Den herun­ter­ge­fal­lenen Fahrschein aufheben ist ein Wagnis, ohne auf den Kopf zu fallen.

Vielleicht versucht man, die den Bus sofort herbei­ru­fende Zigarette mit Handschuhen anzuzünden, was nicht wirklich geht, ohne das Risiko, dass der Handschuh zu Boden fällt. Oder man holt sich schnell noch was Heißes. 

Ganz falsch, der Bus kommt und fährt ab, während Sie noch aufs Wechselgeld warten. Warten Gänse auf die Bratraine? Brief­marken sollten schon längst zu Hause parat liegen, weil, ja nun, weil die Postämter überquellen von Päckchen Verschi­ckern und Brief­marken Besorgern. Von fünf Schaltern sind maximal drei besetzt, Sie stellen sich hinten an und warten. Warten Gänse eigentlich, bis sie fett genug sind? „Die Kunst des Wartens besteht darin, inzwi­schen etwas anderes zu tun” (Heinrich Spoerl). Aber hilft das den Gänsen am Backofen vorbei und was könnten die Gänse in dieser Zeit sonst tun? Ja und Sie könnten vielleicht Ihre Entspan­nungs­übungen in der Warte- schlange machen, wenn denn genug Platz dafür ist.

Die Schlangen an den Kassen, egal wo, nehmen beängs­ti­gende Ausmaße an und man steht immer ganz hinten.

Oder Sie arbeiten an Ihrer Einkaufs­liste, was noch alles und als nächstes zu besorgen ist, weiteres warten gibt’s umsonst dazu. Pünktlich zum Termin in der Praxis, warten Sie zwei Stunden um dann erleichtert zu hören, es ist nicht die Schwei­negrippe. Die Schlangen an den Kassen, egal wo, nehmen beängs­ti­gende Ausmaße an und man steht immer ganz hinten. Warten Sie auch darauf, dass Hirn vom Himmel fällt und alle „wichtigen“ Köpfe dafür aufnah­me­fähig sind. Vor allem die von Entscheidern, zum Beispiel die Köpfe der Teilnehmer der Klima­kon­ferenz oder der Politiker. „Wenn die Menschheit wartet, bis die Belas­tungen und Zwänge offen zutage treten, hat sie zu lange gewartet, schreibt Dennis L. Meadows schon 1972.

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Aktiv warten auf alles und nichts Besonderes
Wenn schon warten, dann aktiv auf dem Sofa Wie warten die Leute in Warten, Friesland, und auf was? Warten Wladimir und Estragon immer noch auf Godot? „Warten ist noch eine Beschäf­tigung. Auf nichts warten – das ist schrecklich (Cesare Pavese). Warten kann auch schön sein, auf Gäste, Überra­schungen, Einge­bungen, die zündende Idee, auf den ersten Satz, den Haupt­gewinn, den nächsten Urlaub, auf Weihnachten mit all den eiligen Engeln und auf das Neue Jahr. Aktiv warten auf alles und nichts Beson­deres, auf dem Sofa mit Tee und Buch, mit Musik und dazwi­schen in den Himmel schauen, ganz gelassen im Jetzt und Aber, ist ein gutes Programm.

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